Unternehmen gegen Betriebsräte

Veröffentlicht: 29. März 2010 von fareus in TV
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Frontal 21, Sendung am 30.03.2010 um 21:15 Uhr im ZDF

Mobben und bespitzeln

Die Betriebsräte einer Chemiefirma aus Karlsruhe fühlen sich verfolgt. Sie hatten von ihrem Arbeitgeber Aufklärung wegen gesundheitsgefährdender Stoffe in der Laugenproduktion gefordert. Danach wurden sie von Detektiven beschattet, mit Klagen überzogen, zur Kündigung gedrängt. Der Nervenkrieg dauert bis heute an- und hat die Betriebsräte, die jahrelang unbescholten in der Firma arbeiteten, zermürbt.

Offenbar hatten die zwei Betriebsräte Roberto Rogler und Christian Mahler damals einen wunden Punkt getroffen. „Es kamen Kollegen auf uns zu, die Hautrötungen hatten oder Probleme mit dem Schlucken, und so haben wir bei einer offiziellen Sitzung bei der Geschäftsleitung nachgefragt, was es denn damit auf sich hat“, berichtet Rogler, der seit fast 20 Jahren bei der Chemiefirma Borregard arbeitet, die meiste Zeit davon als Betriebsrat. Die Firmenleitung stellte die Produktion mit den fragwürdigen Substanzen nach ihrer Anfrage ein. Doch die Betriebsräte waren in Ungnade gefallen. Als Christian Mahler zur Kur war, fiel einem Polizeibeamten auf, dass der Betriebsrat beschattet wurde. Tatsächlich erhielt er später Kündigungsschreiben und mit ihnen auch Fotos und Observationsprotokolle.

Die Detektive listeten minutiös Details aus seinem Leben und auch aus dem seiner Frau auf, über einen längeren Zeitraum rund um die Uhr. Christian Mahler war schockiert: „Ich leide unter großem Gewichtsverlust seit die Hochphase der Observation.“ Er habe 26 Kilo Körpergewicht verloren und fühle sich ständig verfolgt. „Meine Frau ist nervlich ziemlich angespannt. Sie weint jedes Mal, wenn dann wieder was Neues kommt und in der Post liegt“, so Mahler.

„Recht des Stärkeren“- Kein Einzelfall
Bei Betriebsrat Roberto Rogler weckt seine Bespitzelung böse Erinnerungen. Rogler stammt aus der DDR. Damals hatte er sich in seiner Firma auch über Giftstoffe in der Produktion beschwert. Die Staatsicherheit verfolgte ihn daraufhin auf Schritt und Tritt. Die Unterlagen über den operativen Vorgang „Training“ liegen Rogler vor. Was er jetzt erlebe, so Rogler im Interview mit Frontal21 kommt ihm ähnlich vor: „Das hat mich erinnert an die Vorgänge in der DDR, als man mit Andersdenkenden so umgegangen ist, dass man meinte, man muss die observieren, beschatten, aufnehmen, kontrollieren.“ Besonders erschreckend für Rogler: Die Anwaltskanzlei, die im Auftrag seines jetzigen Arbeitgebers versucht, ihn und seinen Kollegen loszuwerden, wirbt ganz unverblümt mit dem Slogan: „Das Recht des Stärkeren liegt in der Natur einer jeden Sache – Arbeitsrecht für Arbeitgeber.“

Ihren Arbeitgeber treffen Mahler und Rogler nur noch vor dem Arbeitsgericht. Mit den Kündigungsversuchen hatte die Firma zwar bislang keinen Erfolg, doch Observationen und Druck setzen den Betriebsräten zu. Von ihrer Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie erhalten Mahler und Rogler Beistand. „Das ist kein Einzelfall“, so die Gewerkschaftssekretärin Gabriele Katzmarek. Allein im Umfeld von Karlsruhe seien mehrere ähnliche Fälle registriert worden. Die Arbeit von Betriebsräten werde zunehmend erschwert, Vorwürfe konstruiert. Die Gewerkschaft will nun ihrerseits gegen das Unternehmen klagen – wegen Verletzung des Betriebsverfassungsgesetzes.

Geradlinig- Bei Arbeitgebern unbeliebt
Roberto Rogler wurde vergangene Woche in Abwesenheit zum Betriebsrat wiedergewählt – trotz des Mobbings. Doch er sieht sich auf verlorenem Posten. Sein bitteres Fazit: „Ich denke mal, dass man mich in meiner Firma mit meiner Geradlinigkeit nicht mehr gebrauchen kann. Ich bin ein ziemlich hartnäckiger Betriebsrat, der es mit den Gesetzen ziemlich genau nimmt – und das mögen die Arbeitgeber nicht.“

Die Firma klagt inzwischen gegen Rogler und Mahler wegen Verleumdung. Auch mit der gescheiterten Kündigung versuchen sie es weiter – in der nächsten Instanz.

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